Hamburger Abendblatt 2015-08-12
Hamburger Abendblatt 2015-08-12




aus: Die Welt 04.09.2015

 

 

Ab Freitag wird der Hafen wieder in blaues Licht getaucht. Für Künstlerin Nana Petzet ist das Blue-Port-Projekt jedoch längst eine "Reklameveranstaltung". Veranstalter Michael Batz hält dagegen.

                                    

 

Mehr als 9000 Lichtelemente wurden angebracht und 50 Kilometer Kabel verlegt: Vom 4. bis 13. September wird Hamburg blau - und lockt wieder zahlreiche Besucher in den Hafen. Bereits zum fünften Mal taucht Lichtkünstler Michael Batz vor und während der Hamburg Cruise Days den Hafen und Sehenswürdigkeiten in ein blaues Licht. Doch das Projekt stößt nicht überall auf Gegenliebe. Konzeptkünstlerin Nana Petzet will zusammen mit Artenschutzexperte Bernd Reuter darauf aufmerksam machen, dass das blaue Licht nicht für alle Lebewesen gleichermaßen eindrucksvoll ist - und sie möglicherweise sogar negativ beeinflusst.

Dafür haben sie vergangenen Monat das "Lichtfalle Hamburg"-Projekt initiiert. Auf dem ehemaligen Löschboot "Repsold" haben die Macher eine Art überdimensionierten Fliegenfänger aufgebaut: Hinter blau schimmernden Leuchtstoffröhren wurde an Bord ein riesiges Laken gespannt, auf dem sich die Insekten sammeln sollten. Damit fuhren Petzet und Reuter zusammen mit Zoologe Henry Tiemann von der Universität Hamburg fünf Nächte die Elbe ab, um zu schauen, welche Insekten sich dort tummeln. "Die Auswertung läuft derzeit noch", berichtet Petzet im Gespräch mit der "Welt". Sie findet, dass die Auswirkungen spürbar sind: Sei es für Insekten, Fledermäuse oder den Menschen. Die "Lichtfalle" sei also Forschung und Kunstprojekt im öffentlichen Raum gleichermaßen.

Mit Beginn des Blue Ports am Freitag wollen Petzet und Reuter zusammen mit weiteren Mitstreitern die Besucher weiter für das Thema sensibilieren. Sie fordern Besucher der Lichtinstallation auf, ihnen beim "Blue Port"-Monitoring eigene Beobachtungen zu den Insekten in der Nähe des blauen Lichts mitzuteilen: "Unter den 9.000 Lichtquellen des 'Blue Port' 2015 bieten sich dafür die in Augenhöhe angebrachten Leuchtstoffröhren, zum Beispiel an Anlegern und Brücken an", heißt es. Zudem ist für den 13. September eine gemeinsame Begehung mit einem Spezialisten zu ausgewählten Punkten der Licht-Installation geplant. "Es ist ein Versuch am lebenden Objekt", sagt Petzet.

 

Interessengelenkte Veranstaltung der Kreuzfahrtindustrie?

Aus künstlerischer Sicht hält Petzet den Blue Port für eine "problematische" Veranstaltung: "Der Inhalt ist offensichtlich dürftig - das soll Kunst sein, reproduziert sich aber ständig ohne sich weiterzuentwickeln." Michael Batz mache lediglich Reklame für die Cruise Days - "Der Blue Port gerät zur Kommerz-Veranstaltung. Es ist also keine Kunst, sondern steht im Dienst kommerzieller Interessen", so Petzet weiter.

Auch die Stadt Hamburg tue sich keinen Gefallen mit dem Blue Port: "Statt ständig dasselbe zu wiederholen, sollte die Stadt mehr möglich machen." So würden aber Spielräume für andere Projekte genommen. Petzet fordert, den Blue Port im kommenden Jahr nicht mehr stattfinden zu lassen. "Der Kulturbereich wendet sich mit Schaudern ab - aber niemand kritisiert öffentlich."

Angesprochen auf die Kritik reagiert Installationskünstler Michael Batz im Gespräch mit der "Welt" gelassen. Die Frage der Beeinflussung auf Insekten sei für ihn nicht neu und er nehme das Thema sehr wohl ernst. "Wir beobachten über die Jahre, ob sich an den Leuchtstoffröhren Insekten sammeln. Wenn dem so wäre, hätte ich längst etwas geändert", sagt Batz.

Man müsse aber auch festhalten: Der Blue Port sei Kunst im industriellen Kontext und eben nicht in einem Naturschutzgebiet. Er verwende besonders schwaches Licht und verzichte extra auf intensive Lichtwellen, wie sie etwa Beamer produzieren, die bei Schiffstaufen eingesetzt werden. "Der Ansatz geht auch dahin, dass wir vorhandenes weißes Betriebslicht mit blauen austauschen. Für Insekten ist die Wahrnehmung des Lichts also dieselbe", sagt Batz. Darüber hinaus werden aber auch zusätzliche Licht-Elemente installiert.

 

"Das sind zwei parallel laufende Veranstaltungen"

Bei der inhaltlichen Auseinandersetzung geht er in die Offensive: Dass der Blue Port im Dienste der Cruise Days stehe, sei nicht der Fall. "Das sind zwei parallel laufende Veranstaltungen - ich habe schon viele Diskussionen geführt, das auch so in der Wahrnehmung zu verändern", sagt der Installationskünstler. Er gibt allerdings auch zu: Die Entwicklung der Cruise Days zu eine Art zweitem Hafengeburtstag sei zu Beginn des Blue Ports nicht absehbar gewesen. "Damals gab es keine Fressbuden. Mit dem Wechsel des Veranstalters ist das nun anders geworden." Wenn dies so weitergehe, müsse er sich umorientieren. "Dann muss ich meine Kunst schützen", so Batz.

Dass Nana Petzet nun aber das Ende des Blue Ports fordert, ist für Batz ein Affront: "Warum spielt sie sich als Richterin für ein Kunstverbot auf? Das kann nur das Publikum entscheiden", sagt er.